Zuerst blies es kräftig aus der Gegenrichtung, nachts drehte dann der Wind innerhalb einer halben Stunde! um 180° auf NW wie angesagt mit max. 34kn. Schon merkwürdig.
Am nächsten Morgen Windstille. War es das jetzt? Eigentlich sollte es den ganzen Tag mit >>20kn wehen.
Egal, wir waren im Hafen und hatten nun Zeit, zu meinem Bruder nach Albi zu fahren. Glücklicherweise konnte man hier ein Auto ausleihen und so war die Reise kein Problem.
Endlich die ganze Familie wiedersehen, erzählen, soweit das mit unseren kargen Französischkenntnissen möglich ist, natürlich ausgiebig essen und den passenden Wein dazu genießen... wie in Frankreich halt üblich. Es war ein sehr schönes Wochenende.
Zurück in Canet rüsteten wir zum Aufbruch. Am nächsten Morgen sah der Himmel schon merkwürdig aus. Es war etwas Wind angesagt, also ging es weiter Richtung Norden nach Gruissan. Den Hafen hatten uns Evelyn und Cyril aus der Schweiz empfohlen, die wir in Roses getroffen hatten.
Die Reise ging erst einmal ganz entspannt los. Bald allerdings frischte der Wind auf und hinter dem Cap Leucate hatten wir >30kn von der Seite. Tramontana der spontanen Art. Wir waren vor Jahren mal mit meinem Bruder hier, da war ein ähnliches Wetter. Muss wohl hier so sein, dachte ich damals. Hier willst du nicht unbedingt mit dem Boot her....
Aber der Weg nach Norden führt nun einmal an diesem Cap vorbei. Gut war nur, dass der Wind ablandig kam. Wir hielten uns nah am Ufer und hatten so keine Probleme mit dem Seegang.
Cap d' Agde war das nächste Ziel. Es war inzwischen der 13.7.18 und wir waren zunächst in dieser riesigen Marina etwas orientierungslos. Bei der Anmeldung in der Capitainerie bekam ich zwar eine gekühlte! Flasche Rosé geschenkt, aber nur die vage Richtung genannt in der ich einen Liegeplatz suchen sollte. Auf meine Frage wo wir denn festmachen könnten sagte er nur "comme vous voulez". Das hatten wir noch nicht. Haben die so viel Platz? Sie hatten. Wir fuhren in eine freie Box (hier mal wieder mit Schlägel) und machten fest. Ich fragte sicherheitshalber nochmal in einem nahen Hafenbüro, ob wir dort bleiben könnten - ja, klar, kein Problem.
Der Hafen selbst erinnerte mich irgendwie an Venedig. Es fehlte zwar der morbide Charme und natürlich die grandiosen Bauwerke, aber der Verkehr vor und in der Hafeneinfahrt musste sich hinter dem auf dem Canal Grande nicht verstecken. Chaotisch. Boote aller Größen, die meisten nicht eben langsam und alle hübsch durcheinander. Irgendwann gelang dann der Sprung auf die andere Kanalseite zum Ankunftskai der Capitainerie und wir konnten einklarieren. Ich bat die nette Dame am Empfang um einen ruhigen Platz, angesichts des quirligen Verkehrs um uns herum und sie hatte tatsächlich ein Einsehen. Wir sollten in den hinteren Hafenteil fahren. Dann die Suche nach unserem Liegeplatz. In Frankreich sieht man das etwas lockerer als in Spanien. Keiner winkt, keiner hilft (außer bei Sturm). Der Hafen gleicht schon aufgrund seiner Größe einer künstlichen Inselwelt. Überall Abzweigungen und unübersichtliche Steganlagen. Teilweise waren die Liegeplatznummern nicht zu lesen. Freude! Aber wie so oft klappte es dann doch besser als befürchtet. Zur Abwechslung gab es hier mal wieder einen Liegeplatz zwischen Dalben wie an der Ostsee. Lange nicht gehabt. Hier bleiben wir erst einmal ein paar Tage um die Camargue zu erkunden und um den nächsten Tramontana? Mistral? abzuwettern.
Da war doch noch was? Ach ja, der Fußball. Ein Dank an Jogi und an die anderen Multimillionäre. Ich habe die WM selten so entspannt verfolgen können, wie in diesem Jahr.
Natürlich haben wir mit Frankreich dem Sieg entgegengefiebert. Der Jubel war entsprechend. Die Sprechgesänge haben wir zwar nicht ganz verstanden aber der Inhalt war ja klar. Es reichte nur nicht zum Mitsingen. Wohl aber zum Mittrinken. Rosé, was sonst...
Der Ausflug nach Aigues Mortes (mit dem Fahrrad 5km durch die Camargue) war ein Highlighte, wenn auch ein sehr heißes. Parallel zu einem Kanal gab es einen Fahrradweg, der zu dieser mittelalterlichen Stadt führte, die direkt in den Sümpfen der Camargue errichtet wurde (daher der Name "Totes Wasser"). Die Stadtmauern ließen die Stadt wie eine Ritterfestung erscheinen. Und das im Nirgendwo der Salzseen wie in einer Fata Morgana. Grandios, aber heiß und voll.
Meine Crew war zufrieden. Endlich ein Stierkampf, wenn auch ohne Blut. Wir konnten weiter. St. Maries de la Mer lockte. DER Wallfahrtsort der Sinti und Roma. Die schwarze Madonna. Das musste man gesehen haben. Am 18.7. machten wir in Port Camargue die Leinen los und waren am Spätnachmittag dort. Natürlich wieder wenig Wind und eher gemächliches Schaukeln als Segeln. Der Hafen war klein aber fein. Wir wurden gleich als Neuankömmlinge auf das Freundlichste begrüßt. Soll heißen, dass nach dem Festmachen unser Bootsnachbar meinte, wir hätten ein wunderschönes Schiff. Ging mir wie Öl runter. Nette Leute. Ich hoffe nur, ich habe ihn richtig verstanden. Kurz darauf kam unser Gegenüber und fragte nach dem Woher und Wohin. Diesmal ein Deutscher, der schon 30 Jahre im Mittelmeer unterwegs ist. Also keine Sprachbarriere. Wir bekamen wertvolle Tipps für die Weiterfahrt. Übrigens, die Sanitäreinrichtungen hier waren vom Feinsten. Hätte ich in dem kleinen Hafen nicht vermutet.
Die berühmte Kirche mit der schwarzen Madonna war schnell gefunden.
Schlechtes Wetter hatte sich angesagt und so mussten wir am nächsten Morgen weiter, um rechtzeitig in Marseille zu sein. Allerdings sollten wir nicht im Vieux Port von Marseille festmachen, sondern im Port Fioul auf der gleichnamigen Insel direkt vor Marseille, so der Tipp des Seglers aus Deutschland. In Marseille selbst bekämen wir sowieso keinen Platz und die Insel wäre ruhiger und billiger. Außerdem könnte man dort prima baden. Angesichts der Temperaturen ein großer Vorteil. .
Als ich mit Schweiß auf der Stirn aus dem engen Hafen manövrierte, nickte ein Bootsnachbar anerkennend und hob den Daumen. Ich sag's ja, nette Leute.
Von starkem Wind war allerdings noch nichts zu merken. Wir ließen uns gemächlich vom Gennaker treiben.
Die Insel Frioul übertraf unsere Erwartungen. Kalkfelsen wie in Kroatien und deshalb auch glasklares Wasser wie dort. Viele fjordähnliche Buchten in denen man entspannt baden konnte und ein grandioser Blick vom Hafen aus auf die Il d' If (Graf von Monte Christo) und Marseille.
In der ersten Nacht kam der erwartete Wind und zwar heftig. Zudem zog ein Gewitter auf, wie ich es noch nie erlebt habe. Es gab keine einzelnen Blitze vielmehr flackerte der Himmel pausenlos. Der Donner folgte in einer Lautstärke, dass wir jedes Mal den Kopf einzogen und der Wind oder besser Sturm zerrte so an den Leinen, dass sich die Boote am Steg auf die Seite legten. Weltuntergang. Dann der Regen. Er kärcherte das Deck und wir hatten zu tun, rechtzeitig alle Luken zu schließen, die der Hitze wegen offen waren. Nach einer 3/4 Stunde war der Spuk vorbei. der Sturm wurde Wind und der Regen ließ allmählich nach. Am Morgen schien wie immer die Sonne und es wehte kaum ein Lüftchen.
War was?
Langsam verzog sich der Mistral, der uns kühlere Tage in Port Frioul beschert hatte und wir zogen weiter. Es war der 24.7. und Port Miou lockte. Eine enge fjordähnliche Bucht bei Cassis, die als traumhaft beschrieben wurde. Es sollte auch Segelwind aus SW geben (wäre toll) der dann aber aus NO kam, also genau auf die Nase. Aufkreuzen zwischen den Inseln Ile Jarre und Calseraigne, die auf dem Weg lagen, war etwas nervig, weil eine Unmenge Motorboote unterwegs war, die natürlich auf die Segler keine Rücksicht nahmen.
Die Bucht Port Miou entschädigte für alles. Von Felswänden umgeben, liegt man dort an einer Mooringboje mit einer Heckleine zum Ufer wie in Abrahams Schoß. Endlich Baden vom Boot aus in glasklarem und erstaunlich kühlem Wasser. Der Grund dafür ist eine Süßwasserquelle, die in der Bucht entspringt und für Erfrischung sorgt.
Am nächsten Tag ging es weiter nach Bandol, dem ersten Hafen an der
Côte d‘Azur. Ich habe irgendwo gelesen, dass die Schönen und Reichen lässigerweise nur "die Côte" sagen.
Wir fuhren also an die Côte.