Segeln um Westeuropa

2021 Wieder an Bord

Die Reise- und Bewegungsbeschränkungen wurden aufgehoben, wir können nach Gruissan fahren. Endlich wieder auf dem Boot sein, endlich wieder segeln. Eine Freude, die uns kurioserweise in Deutschland trotz weitaus geringerer Infektionszahlen nicht vergönnt gewesen wäre. Meckpom hat die Grenzen dicht gemacht, die Reise zu unserem Heimathafen wäre verboten. Krass. Eine Grenze im eigenen Land. Das hätte sich nicht einmal Honecker getraut.

Aber erst einmal müssen wir nach Gruissan kommen und das ist nicht so einfach. Durch Ausgangssperren in Deutschland und in Frankreich (die sind dort nach wie vor in Kraft) fallen Flugreisen aus. Wir würden es nicht schaffen, vor Anbruch der Sperrzeit am Zielort zu sein.
Also per Bahn. Das funktionierte, aber in zwei Etappen. Zunächst bis Strasbourg. Dort übernachten und am nächsten Tag bis Narbonne. Vorher aber noch der obligatorische PCR-Test in Berlin. Alles zusammen ein teurer Spaß, aber wir waren froh, überhaupt einen Weg gefunden zu haben.

 

11.5.21 zurück an Bord

Vor uns liegt der letzte und schwierigste Teil unserer Reise. Zwischen unserem Winterlager und der Ostsee  liegen 2000 Fluss- und Kanalkilometer, ca. 220 Schleusen und ungewisse Wasserverhältnisse. Der Vogesenkanal hat laut VNF (dem französischen Wasserstraßenamt) eine Tauchtiefe von 1,6m.  D.h. für einen Tiefgang von 1,6m ist die Strecke freigegeben. Dazu kommt eine ca. 10%-ige Zugabe, der "Pied de Pilote".
Wir haben einen Tiefgang von 1,6m, es sollte also passen. Theoretisch.

Doch jetzt sind wir erst einmal angekommen.
Ein Gummi-Ruckdämpfer hat den Winter nicht überlebt und die Schlösser der Backskisten ließen sich nicht mehr öffnen. Von Salz zerfressen oder eingerostet, ich bekam die Dinger einfach nicht auf. Ich hätte es wissen müssen, in Spanien war das auch so. Glücklicherweise war gerade unser Bootsnachbar an Bord. Der hatte einen großen Bolzenschneider in seiner Werkzeugkiste und damit war das Problem schnell erledigt.  Er half uns auch das schwere Gepäck über sein Boot zu uns an Bord zu bringen. Einfach nett.

Abschied von Gruissan
Oh Gott...


Am 20. fuhren wir weiter nach Port Camargue. Ein kleiner Schlag von 4 Stunden, von denen die ersten 3 wieder einmal windstill waren. Mittelmeer eben.
Wir kannten den Hafen ja schon von unserem Besuch vor 2 Jahren und wussten, dass man dort gut einkaufen konnte. Für unseren weiteren Törn wollten wir nichts dem Zufall überlassen und genug Proviant bunkern. Wer weiß, wie es mit den Einkaufsmöglichkeiten in den Flusshäfen so aussieht. Also nach dem Anlegen wieder die Fahrräder raus und zum Supermarkt. Sicherlich nicht zum letzten Mal.

Grau du Roi.
Am nächsten Tag ging es weiter nach Saintes-Maries-de-la-Mer. Ein kleiner gemütlicher Hafen, den wir schon von unserer ersten Fahrt die Küste entlang kannten.

In Saintes-Maries-de-la-Mer wohltuende Normalität am Pfingstsonntag

Der Hafen von Saintes-Maries-de-la-Mer  heißt Port Gardian. Ein kleines gemütliches Kleinod an der südfranzösischen Küste. Hier muss man sich einfach wohl fühlen.
Wir hatten extra einen etwas längeren Aufenthalt eingeplant, weil wir DAS Ereignis des Jahres miterleben wollten. Die Wallfahrt der Zigeuner. Am 24.5. wird ihre Schutzheilige Sara, die schwarze Madonna, in einer feierlichen Prozession zum Meer getragen. Es finden Gottesdienste statt. Sinti und Roma kommen aus allen Landesteilen hierher, die Stadt ist im Ausnahmezustand.
Das Spektakel wollten wir uns nicht entgehen lassen, aber wir hatten die Rechnung ohne Corona gemacht. Die Kirche blieb geschlossen, die Pilgerfahrt war abgesagt worden.

Immerhin konnten wir dem ehrwürdigen Bauwerk aufs Dach steigen und uns die Camargue mal von oben ansehen.
Die Rhôneeinfahrt…..

...wäre beinahe schief gegangen. Die Seekarten versprachen eine Wassertiefe von mindestens drei Metern. Ich war allerdings skeptisch, weil der Fluss Mengen an Sedimenten herausspült, die sich in der Mündung immer wieder neu formieren. Also bewegten wir uns vorsichtig auf die Mündung zu und folgten der in der Navionics-Karte angegebenen Route. Plötzlich nahm die Wassertiefe ab. Und zwar rapide. 3m...2m...1,8m...1,6m und... Grundberührung. Zwar nicht doll, aber doch ausreichend, um Angst zu kriegen und sofort zu wenden. Die Sandbänke ändern sich hier von Monat zu Monat, wer weiß, was uns noch blühen würde.
Glücklicherweise gibt es noch einen anderen Zugang zur Rhône.  Der ist zwar mit einem Umweg verbunden, aber sicher, da von der Berufsschifffahrt genutzt.
Also nach Norden in den Golf de Fos und dann durch den Canal Saint-Louis in die Marina von Port Saint Louis de Rhône. Dort angekommen, bekamen wir unseren über navily reservierten Liegeplatz und konnten erstmal durchatmen. Geschafft.

Port Saint Louis

In Port Saint Louis waren noch einige Probleme zu lösen.
Wir brauchten einen Mastkran um den Mast waagerecht aufs Boot zu legen und wir brauchten Holz für ein Gestell, mit dem der Mast sicher auf dem Deck transportiert werden kann.

In unserem jetzigen Hafen gab es keinerlei Service, also auch keinen Kran. Aber im nahen Port Napoleon sollte es den geben. Also radelten wir dorthin und meldeten uns für einen Liegeplatz und einen Krantermin an. Fehlte nur noch das Mastgestell.

Aber wo gibt es Bohlen bzw. Bretter dafür? Nachdem ich in meiner Not Kontakt mit einem Holzhandel im 60km entfernten Gignac la Nerthe aufgenommen hatte, fand ich durch Zufall eine Baustoffhandlung hier im Ort, die zufällig auch Bretter und Balken hatte. Die Auswahl war zwar nicht groß aber ausreichend. Auf deren Website wurde auch ein Lieferservice angeboten. Also war das Problem gelöst. Dachten wir. Als wir die Bretter kaufen wollten, gab es den Lieferservice nicht mehr. Und nun?

Unser kulinarischer Abschied vom Mittelmeer..
Auf einem Holzkohlegrill zubereitet und sowas von lecker.
...und hamstern für die Flussfahrt.
Hier kann man vom Supermarkt mit dem Wagen direkt zum Boot. Toll.

31.5.21
Wir sind von Port St. Louis nach Port Napoleon umgezogen. Quasi um die Ecke. Dort werden wir eine Woche bleiben, um das Mastgestell zu zimmern und den Mast am Freitag zu legen. Haben wir noch nie gemacht, aber die Jungs von der Marina werden helfen.

Am nächsten Montag, nachdem alles sicher verstaut und verzurrt ist, geht es dann in die Rhône. So der Plan.

 

Die Mastböcke sind fertig. Die Franzosen grinsen, wenn sie an unserem Schiff vorbei gehen. Haben wir es wieder übertrieben? Die Maststützen, die wir bei anderen Booten gesehen haben, waren eher aus Kistenbrettern.

Ab jetzt sind wir als Motorboot unterwegs. Mal sehen, wann der Mistral uns lässt.
Der Sonnenschutz kam gerade noch rechtzeitig an. Ohne geht nicht.
Doch zuerst klar Schiff...
…. und Proviant bunkern.

Es muss über Winter einiges los gewesen sein, aber die Festmacher haben gehalten.
In der Nacht bekommen wir eine Kostprobe. Wind bis 40kn. Das Schiff schaukelt in den Böen, die Leinen knarzen unentwegt. Das nervt. Wenn wir von der Fahrt nicht so müde gewesen wären, hätten wir kein Auge zugekriegt.

Von Gruissan nach Sète

Am 16.5. machten wir die Leinen los und tuckerten aus dem Hafen Gruissan. Unser netter Nachbar winkte uns nach und wünschte uns viel Glück für die Kanalfahrt. Werden wir brauchen.

Wie erwartet war erst einmal Flaute. Also weiter mit dem Motor. Und das war schon das Problem. Ich gab Gas und es tat sich nicht sonderlich viel. Der Propeller drehte sich nur widerwillig und das Schiff vibrierte. Wir fuhren mit mäßiger Geschwindigkeit weiter. Der Motor rauchte wie vorher noch nie. War der Motor kaputt oder war das Saildrive das Problem?

Ich kuppelte den Antrieb aus und gab Gas. Der Motor drehte sich wie er sollte, der war also in Ordnung. Bleibt nur das Saildrive. Ich hatte zwar mit der Gopro nachgeschaut, konnte in dem trüben Hafenwasser von Gruissan aber den Bewuchs nicht richtig erkennen. Vielleicht war da doch so einiges festgewachsen?
Plötzlich piepte der Temperaturalarm vom Motor. Gar nicht gut. Also Motor aus und abkühlen lassen. Das kannten wir schon vom letzten Jahr. Als der Alarm aufhörte, Motor wieder an und mit kleiner Drehzahl weiter. Glücklicherweise briste der Wind wie vorhergesagt auf und wir konnten die Segel setzen.
Immerhin hatte sich der Antrieb soweit freigearbeitet, dass wir mit 2000 U/min ohne Probleme fahren konnten, aber mehr war nicht drin.


In Sète angekommen, bekamen wir schnell einen Liegeplatz und waren erst einmal gerettet. Aber so konnten wir nicht auf die Rhône.

Glücklicherweise gab es gleich neben der Marina eine Werft mit einem Bootslift. Bei der bekam ich einen Krantermin für den nächsten Tag, um den Antrieb und das Unterwasserschiff von Muscheln und anderen Weich- oder Harttieren zu befreien.

Nachdem dann das Boot aus dem Wasser kam - blankes Entsetzen. Dass wir mit diesem Korallenriff, das früher mal ein Propeller war, überhaupt bis hierher gekommen sind, war pures Glück.

Also ran an den Feind und die Pocken abschaben. Ich hatte vorsorglich gestern 2 Spachtel gekauft und die bewährten sich jetzt.

Eine archäologische Sternstunde.


Nachdem Propeller, Saildrive und der Rumpf von Pocken und Mollusken befreit waren, ging es wieder ins Wasser. Die erste Testfahrt beseitigte alle Befürchtungen. Der Bootsantrieb war wieder in Ordnung. Alles Bestens.

 

Sète wird gern als Venedig des Languedoc gepriesen. Ist vielleicht etwas übertrieben, aber schön ist es trotzdem hier. Allerdings auch voll. Viele Autos, viele Boote, viele Menschen. Man muss darüber hinwegsehen, um die Schönheit der Stadt mit ihren Kanälen, alten Schwenkbrücken und  Häusern der Belle Époque zu erkennen.

Was der Stadt auf keinen Fall fehlt, sind Restaurants. Eins am anderen aber alle coronabedingt geschlossen. Zumindest bis zum 18.5. Am 19. dann war die trostlose Zeit vorbei. Der Viruswahnsinn schien zu Ende zu sein, alle Restaurants offen, alle Tische besetzt. Normalität, die jeder genoss. Klar, wir auch. Es war Markttag, die Sonne schien und man drängte sich zwischen den Ständen durch die Menge. Viele hatten die Maske abgenommen, aber das störte keinen.
Hoffen wir, dass dass so bleibt.

 

Wasserpumpe kaputt...

Ein Malheur hatten wir noch. Die Wasserpumpe ging von jetzt auf gleich kaputt. Eben noch Wasser aus dem Tank gepumpt und plötzlich still. Eine kleine Katastrophe, wenn man nicht vorsorgt. Ich hatte eine Ersatzpumpe dabei und so dauerte der erste Schreck länger als die Reparatur.
Wieder alles o.k.

Bob und Carol

In Port Camargue besuchten uns Bob und Carol an Bord. Sie haben auch eine Bavaria und wollten uns für den französischen Fanclub "Amicale Bavaria" werben.


Wir kamen ins Gespräch und verabredeten uns in Port Camargue. Dort haben sie ihren Heimathafen. Sie sind Engländer, leben aber schon seit 14 Jahren in Frankreich.
Nun waren sie also bei uns an Bord und wir haben viel über Land und Leute erfahren.
Z.B. etwas Ungeheuerliches. In Port Camargue kann man nicht einfach so einen Ganzjahres-Liegeplatz bekommen. Es gibt eine Warteliste. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt je nach Platzgröße 10 bis 15 Jahre!! Unglaublich. Das erinnert mich an die Anmeldezeit für einen Trabbi im Arbeiter- und Bauernstaat.

Ab und zu werden hier Stiere durch die Stadt getrieben. Anders kann man sich der Touristenmassen wohl nicht erwehren.

Manchmal gewinnen aber auch die Touris. Dan endet es für die Stiere so...
Schwarze Stiere, weiße Pferde. Mit dem Ausflugsschiff über die Petit Rhône in die Camargue.
Einfahrt in die Rhônemündung.
Ganz wohl ist mir nicht.
Die Rhône bei Port Saint Louis.
So sieht sie ja ganz friedlich aus..
Baustoffhandel in Post Saint Louis:
die haben Bretter!!
Aber wie transportieren?

Wir kauften trotzdem die Bretter und der nette Verkäufer fragte, wo wir denn unser Auto hätten.
Als wir auf die Räder zeigten, dachte er erst, wir wollen ihn verarschen.
Zum Glück war der Weg bis zu unserem Boot nicht weit. Wir banden das Holz an beide Räder und schoben das Gefährt zum Liegeplatz. War nicht ganz einfach, aber es funktionierte. Nach zwei solcher Touren war alles an Bord.

Für die "démâtage" legen wir in Port Napoleon an.
…. es wird ernst ….
Nachdem wir alles verstaut hatten, war die Achterkabine voll.
Eigentlich wollten wir auf einigen Flussetappen noch Freunde mitnehmen. Das wäre eng geworden.
Die Vignette muss sein. Vorschriftsmäßig am Bug auf der Steuerbordseite angeklebt.