Die Reise- und Bewegungsbeschränkungen wurden aufgehoben, wir können nach Gruissan fahren. Endlich wieder auf dem Boot sein, endlich wieder segeln. Eine Freude, die uns kurioserweise in Deutschland trotz weitaus geringerer Infektionszahlen nicht vergönnt gewesen wäre. Meckpom hat die Grenzen dicht gemacht, die Reise zu unserem Heimathafen wäre verboten. Krass. Eine Grenze im eigenen Land. Das hätte sich nicht einmal Honecker getraut.
Aber erst einmal müssen wir nach Gruissan kommen und das ist nicht so einfach. Durch Ausgangssperren in Deutschland und in Frankreich (die sind dort nach wie vor in Kraft) fallen Flugreisen aus. Wir würden es nicht schaffen, vor Anbruch der Sperrzeit am Zielort zu sein.
Also per Bahn. Das funktionierte, aber in zwei Etappen. Zunächst bis Strasbourg. Dort übernachten und am nächsten Tag bis Narbonne. Vorher aber noch der obligatorische PCR-Test in Berlin. Alles zusammen ein teurer Spaß, aber wir waren froh, überhaupt einen Weg gefunden zu haben.
Vor uns liegt der letzte und schwierigste Teil unserer Reise. Zwischen unserem Winterlager und der Ostsee liegen 2000 Fluss- und Kanalkilometer, ca. 220 Schleusen und ungewisse Wasserverhältnisse. Der Vogesenkanal hat laut VNF (dem französischen Wasserstraßenamt) eine Tauchtiefe von 1,6m. D.h. für einen Tiefgang von 1,6m ist die Strecke freigegeben. Dazu kommt eine ca. 10%-ige Zugabe, der "Pied de Pilote".
Wir haben einen Tiefgang von 1,6m, es sollte also passen. Theoretisch.
Doch jetzt sind wir erst einmal angekommen.
Ein Gummi-Ruckdämpfer hat den Winter nicht überlebt und die Schlösser der Backskisten ließen sich nicht mehr öffnen. Von Salz zerfressen oder eingerostet, ich bekam die Dinger einfach nicht auf. Ich hätte es wissen müssen, in Spanien war das auch so. Glücklicherweise war gerade unser Bootsnachbar an Bord. Der hatte einen großen Bolzenschneider in seiner Werkzeugkiste und damit war das Problem schnell erledigt. Er half uns auch das schwere Gepäck über sein Boot zu uns an Bord zu bringen. Einfach nett.
Am 20. fuhren wir weiter nach Port Camargue. Ein kleiner Schlag von 4 Stunden, von denen die ersten 3 wieder einmal windstill waren. Mittelmeer eben.
Wir kannten den Hafen ja schon von unserem Besuch vor 2 Jahren und wussten, dass man dort gut einkaufen konnte. Für unseren weiteren Törn wollten wir nichts dem Zufall überlassen und genug Proviant bunkern. Wer weiß, wie es mit den Einkaufsmöglichkeiten in den Flusshäfen so aussieht. Also nach dem Anlegen wieder die Fahrräder raus und zum Supermarkt. Sicherlich nicht zum letzten Mal.
Der Hafen von Saintes-Maries-de-la-Mer heißt Port Gardian. Ein kleines gemütliches Kleinod an der südfranzösischen Küste. Hier muss man sich einfach wohl fühlen.
Wir hatten extra einen etwas längeren Aufenthalt eingeplant, weil wir DAS Ereignis des Jahres miterleben wollten. Die Wallfahrt der Zigeuner. Am 24.5. wird ihre Schutzheilige Sara, die schwarze Madonna, in einer feierlichen Prozession zum Meer getragen. Es finden Gottesdienste statt. Sinti und Roma kommen aus allen Landesteilen hierher, die Stadt ist im Ausnahmezustand.
Das Spektakel wollten wir uns nicht entgehen lassen, aber wir hatten die Rechnung ohne Corona gemacht. Die Kirche blieb geschlossen, die Pilgerfahrt war abgesagt worden.
...wäre beinahe schief gegangen. Die Seekarten versprachen eine Wassertiefe von mindestens drei Metern. Ich war allerdings skeptisch, weil der Fluss Mengen an Sedimenten herausspült, die sich in der Mündung immer wieder neu formieren. Also bewegten wir uns vorsichtig auf die Mündung zu und folgten der in der Navionics-Karte angegebenen Route. Plötzlich nahm die Wassertiefe ab. Und zwar rapide. 3m...2m...1,8m...1,6m und... Grundberührung. Zwar nicht doll, aber doch ausreichend, um Angst zu kriegen und sofort zu wenden. Die Sandbänke ändern sich hier von Monat zu Monat, wer weiß, was uns noch blühen würde.
Glücklicherweise gibt es noch einen anderen Zugang zur Rhône. Der ist zwar mit einem Umweg verbunden, aber sicher, da von der Berufsschifffahrt genutzt.
Also nach Norden in den Golf de Fos und dann durch den Canal Saint-Louis in die Marina von Port Saint Louis de Rhône. Dort angekommen, bekamen wir unseren über navily reservierten Liegeplatz und konnten erstmal durchatmen. Geschafft.
In Port Saint Louis waren noch einige Probleme zu lösen.
Wir brauchten einen Mastkran um den Mast waagerecht aufs Boot zu legen und wir brauchten Holz für ein Gestell, mit dem der Mast sicher auf dem Deck transportiert werden kann.
In unserem jetzigen Hafen gab es keinerlei Service, also auch keinen Kran. Aber im nahen Port Napoleon sollte es den geben. Also radelten wir dorthin und meldeten uns für einen Liegeplatz und einen Krantermin an. Fehlte nur noch das Mastgestell.
Aber wo gibt es Bohlen bzw. Bretter dafür? Nachdem ich in meiner Not Kontakt mit einem Holzhandel im 60km entfernten Gignac la Nerthe aufgenommen hatte, fand ich durch Zufall eine Baustoffhandlung hier im Ort, die zufällig auch Bretter und Balken hatte. Die Auswahl war zwar nicht groß aber ausreichend. Auf deren Website wurde auch ein Lieferservice angeboten. Also war das Problem gelöst. Dachten wir. Als wir die Bretter kaufen wollten, gab es den Lieferservice nicht mehr. Und nun?
31.5.21
Wir sind von Port St. Louis nach Port Napoleon umgezogen. Quasi um die Ecke. Dort werden wir eine Woche bleiben, um das Mastgestell zu zimmern und den Mast am Freitag zu legen. Haben wir noch nie gemacht, aber die Jungs von der Marina werden helfen.
Am nächsten Montag, nachdem alles sicher verstaut und verzurrt ist, geht es dann in die Rhône. So der Plan.
Die Mastböcke sind fertig. Die Franzosen grinsen, wenn sie an unserem Schiff vorbei gehen. Haben wir es wieder übertrieben? Die Maststützen, die wir bei anderen Booten gesehen haben, waren eher aus Kistenbrettern.